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18.04.2022
Politikerin Norika Creuzmann von den Grünen

Wir haben die Landtags-Kandidat*innen der demokratischen Parteien angeschrieben und ihnen Fragen zum Thema Inklusion gestellt, die durch die Landespolitik direkt beeinflusst werden könnten. Sämtliche Antworten der Politiker*innen aus Ostwestfalen-Lippe, die die Zeit gefunden haben hierzu Stellung zu beziehen, werden wir in den kommenden Wochen bis zur Wahl hier unkommentiert veröffentlichen. Los geht´s mit...

Norika Creuzmann, Bündnis 90/Die Grünen, Wahlkreis Paderborn I

 

KSL Detmold: Trotz gesetzlicher Vorgaben (IGG und BGG NRW) besitzen über 45% der Kommunen in NRW nach wie vor keine Interessenvertretung für die Belange von Menschen mit Behinderung. Welche Anstrengungen wollen Sie unternehmen, um die Interessenvertretung in den Kommunen zu verbessern?

Norika Creuzmann: Mehr Teilhabe für behinderte Menschen per Interessenvertretungen sind wichtig. Das Thema Inklusion sollte auf diesem Weg auf allen Ebenen der Gesellschaft wie auch der Politik vergegenwärtigt werden. Die Möglichkeiten zur Teilhabe auf politischer wie gesellschaftlicher Ebene in den Kommunen ist dabei unterstützenswert – gleichzeitig soll die Kommunalaufsicht überwachen, dass die Kommunen diese Teilhabe auch erfüllen. 

 

KSL Detmold: Die Herstellung von Barrierefreiheit erfordert mehr, als die Errichtung von Rampen und Aufzügen für mobilitätseingeschränkte Menschen. Sie wird beispielweise auch bei der Informationsvermittlung für Menschen mit kognitiven oder Sinnesbeeinträchtigungen benötigt, indem Leichte Sprache oder Gebärdendolmetscher:innen zur Verfügung gestellt werden. Welche Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit wollen Sie in NRW vorantreiben?

Norika Creuzmann: Barrierefreier Wohnraum gehört als klarer Standard in die Landesbauordnung. Orts- und Stadtteile sollen barrierefrei geplant und umgesetzt werden. Das gilt auch für rollator-/ rollstuhlgerechte Wohnungen. Komplizierte Verfahren der Verwaltungen sollten nach entsprechenden Standards leicht verständlich dargestellt werden. Im Inklusionsbeirat wird der Austausch aller Beteiligten gepflegt und die Vertretungen der beeinträchtigten Menschen gefördert. Gemeinsamkeit steht im Mittelpunkt, wenn Lösungen gesucht werden für unzugängliche bzw. unnutzbare Bereiche. So sollten auch ausreichend barrierefreie Schutzplätze in Frauenhäusern zur Verfügung stehen.

 

KSL Detmold: Das segregierende System der Förderschulen soll laut UN-BRK schrittweise abgebaut werden. Trotzdem steigt die Zahl der Förderschulplätze stetig. Welche nächsten Schritte sind ihrer Meinung nach notwendig, um den Anteil der Schüler:innen im Gemeinsamen Lernen zu erhöhen?

Norika Creuzmann: Wir wollen gemäß der UN-BRK die Entwicklung des inklusiven Schulsystems vorantreiben. Die so genannte Neuausrichtung der schulischen Inklusion hat Förderschulen und Absonderung zu sehr gestärkt. Die Segregation, also die Abtrennung der Menschen mit Behinderung, ist noch nicht überwunden, Eltern und Verbände stärken dieses System nach wie vor. Die Bedingungen für das Gemeinsame Lernen an den Regelschulen wurden noch herausfordernder, das Gymnasium wird durch die Aufgabenverteilung von der Entwicklung eines inklusiven Bildungssystems weitgehend ausgenommen. Die schwarz-gelbe Koalition in NRW hat die bereits angelegten inklusiven Schulentwicklungsprozesse für das gesamte Schulwesen bewusst zurückgedreht.

Leitlinie muss eine Pädagogik der Vielfalt sein. Wir setzen darauf, begleitend zu den notwendigen schulstrukturellen Diskussionen an Konvergenzen der Schulformen und pädagogischen Orientierungen zu arbeiten. Eine Schulform, in die landesweit mehr als 40% aller Kinder nach der Grundschule gehen, kann und darf sich nicht aus der gesellschaftlichen Verantwortung verabschieden. Gymnasien haben sehr wohl gezeigt, dass auch sie erfolgreich zieldifferent arbeiten können. Das ist allein schon geboten, um der Realität der längst bestehenden Heterogenität an allen Schulen und Schulformen und damit den Schüler:innen gerecht zu werden.

Im Zuge der Schulentwicklung hin zu einem inklusiven Bildungssystem setzen wir darauf, dass umfassende Inklusion eine Aufgabe für alle Schulformen ist. Die Lerngruppengrößen im Gemeinsamen Lernen müssen verbindlich und verlässlich reduziert werden. Gemäß dem Prinzip Ungleiches ungleich zu behandeln, müssen Schulen in herausfordernden Lagen zusätzliche personelle Unterstützung erfahren und mehr Ressourcen für Team- und multiprofessionelle Arbeit, Beratung und Vernetzung.

 

Das KSL Detmold bedankt sich für die Beantwortung unserer Fragen.

 

Hinweis: Die Statements der Politiker*innen decken nicht die Positionen der gesamten Parteienlandschaft ab. Die inhaltliche Verantwortung liegt bei den Parteien – nicht bei den Kompetenzzentren Selbstbestimmt Leben (KSL.NRW).